Wieder - Gansch - Paul, Ménage à Trois
Interpret: Albert Wieder, Thomas Gansch, Leonhard Paul
Titel: Ménage à Trois
Musik: (1.)Faith, written by George Michael, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (2.) The Breeze, written by Ernesto Lecuona, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (3.) Der Vielharmonische, written by Leonhard Paul, arranged by Leonhard Paul, (4.) Tombo In 7/4, written by Airto Moreira, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (5.) Where Is Ahmad ?, written by Thomas Gansch, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (6.) Die Kaiserbluesette, Kaiser Walzer Opus 437, music by Johann Strauss II, music by Toots Thielemans, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (7.) If I Never Sing, written by Udo Jürgens, arranged by Albert Wieder, (8.) Stompin' Sentimental, written by Leonhard Paul, arranged by Leonhard Paul, (9.) Star Trek, music by Alexander Courage, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (10.) Isn't She Lovely, music by Stevie Wonder, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (11.) James, written by Billy Joel, arranged by Leonhard Paul, (12.) Ständchen, music by Franz Schubert, arranged by Leonhard Paul, (13.) Land of Make Believe written by Chuck Mangione, arranged by Wieder, Gansch & Paul, (14.) The Days of Wine And Roses, written by Henry Mancini, arranged by Wieder, Gansch & Paul
Label: Verve
Veröffentlichung: 29.11.2019
Preis: externer download
Musik Informationen zum Wein
Wieder Gansch & Paul
„Natürlich soll Kunst auch aufrütteln, aufzeigen und uns schmerzliche Dinge vor Augen führen, aber das kann nicht ihre einzige Aufgabe sein. Sie muß auch die Fähigkeit des Glücklichseins in uns verstärken.“ Das meinte Udo Jürgens gegen Ende seines kreativ so fruchtbaren Lebens. Sein Dogma lautete bekanntermaßen „Unterhaltung mit Haltung“, und der Trompeter Thomas Gansch hat es wohl verinnerlicht. Als Musiker, der leidenschaftlich Genregrenzen überschreitet, ist ihm musikalisches Gehege-Denken immer schon fremd gewesen. Der Mann öffnet die Milieuschleusen mit großer Freude. Er konfrontiert Free-Jazz-Puristen mit Caterina-Valente-Melodien, Freunde gezierter Klassik mit gleißendem Big-Band-Geschmetter. Er wildert in Volksmusik und Metal, Filmscores und Schlager. In sämtlichen Subgenres des Jazz sowieso. Der Mann ist ein musikalischer Anarchist, manche meinen ein Kosmoprolet, also einer, der die hehren Ansprüche der Genres beiseite räumt und in vielschichtige Genuss-Dimensionen überführt.
Das passiert auch in seiner allerneuesten Kleinformation, namens „Wieder, Gansch & Paul“. In egalitärem Gestus nach seinen Mitstreitern benannt. Posaunist Leonhard Paul war Mitbegründer von Mnozil Brass, der bislang am berühmtesten gewordenen Kombo der kreativen Auffächerung Ganschs. 1967 geboren, schwärmte er früh für den Posaunisten Ray Anderson, der rasch zu seinem All-Time-Hero wurde. Studiert hat Paul beim gestrengen Erich Kleinschuster, der ihn immerhin nach „drei Anläufen mochte“. Paul probierte sich schon mit 23 Jahren selbst als Pädagoge. Früh lernte er auch Gansch kennen. 1996 spielte man zum ersten Mal miteinander. Und das ausgerechnet im Musikverein, bei einem Dirigat von Gilbert Kaplan, einem Mann, der sich ausschließlich mit Mahlers Zweiter Symphonie, der „Auferstehungssymphonie“, befasst hat. An Gansch schätzt Paul, dass er in musikalischen Fragen „im Zweifelsfall die pointiertere, zuweilen rustikale Lösung wählt“. Paul changierte mit viel Emphase zwischen dem exzentrischen Repertoire von Mnozil Brass und Formationen, die „tiefergelegte Volksmusikstücke“ spielen. Auf der Bühne profitiert Paul von einem Atemsystem, das jenem von Gansch diametral entgegengesetzt ist. Am neuen Trio-Format schätzt Paul das stille Einvernehmen untereinander. Und den Mut zur klanglichen Lücke. „Auf irgendwas muss man immer verzichten“, meint er ganz entspannt.
Der Dritte im Bunde ist der aus einer burgenländischen Rotweingegend stammende Tubaspieler Albert Wieder. Bei Mnozil Brass war er ursprünglich nur kurz eingesprungen, spielte dann eineinhalb Jahre in der wüsten Kombo. In diesem Rahmen wurde es zur lieben Gewohnheit, Zugaben zu dritt zu geben. Daraus hat sich ganz organisch ein Trio entwickelt, das stolz sein kann auf seine kooperativ erarbeiteten Geräusche. Sein sinnliches Spiel schätzen die Mitspieler am meisten. „Zuweilen sieht es aus, als ob er schmusen würde mit seiner Tuba“, meinte eine weibliche Adorantin einmal.
Wie bei Mnozil Brass bestrickt das heterogene Repertoire dieses Trios auf seinem Debütalbum. Flamboyant hebt der Melodienreigen mit einer sanft pulsierenden Interpretation von Stevie Wonders Soul-Klassiker „Isn’t She Lovely“ an. Innig verschlingen sich hier dreierlei Melodiestränge zu einer Apotheose auf die Sinnlichkeit. Da sprühen die Funken der Erotik bereits. In der Folge breiten die drei Musiker Motive aus allen Wind- und Geschmacksrichtungen aus. Das ist wichtig in Zeiten, in denen sich die Ränder zunehmend politisch radikalisieren. Wieder, Gansch & Paul wissen um die Ambivalenzen und akzeptieren, ja feiern sie. Die Heterogenität ihres neuen Repertoires bezeichnet man am besten mit einem Terminus aus früheren Zeiten, nämlich dem des Potpourri.
Da bezirzen erdige Eigenkompositionen wie „Der Vielharmonische“ und „Where Is Ahmad“ aus den Federn von Gansch und Paul, aber auch jede Menge Fremdes. Etwa „Tombo in 7/4“ vom brasilianischen Wunder-Perkussionisten Airto Moreira. Ursprünglich ein Stück von dessen legendärem 70er-Jahre-Album „Fingers“ wurde es 1997 von der digitalen, deutschen Kombo Bellini im Stück „Samba De Janeiro“ zum globalen Hit gesampelt. Wieder, Gansch & Paul katapultieren es zurück in lokale Zusammenhänge, und plötzlich verfügt das exotische Wackelteil über einen hübschen, alpinen Touch, der Hiesigen locker Daseinsgewissheit verschafft. Auch George Michaels rockiger Discoschnalzer „Faith“ wird radikal umgewertet. In dieser eigenwilligen Lesart bekommt der patinierte Hit eine Anmutung von Turbo-New-Orleans-Marschmusik.
Selbstverständlich charmieren auch einige rinnaugerte Passagen. Franz Schuberts „Ständchen“ fleht erotische Geistererscheinungen vorbildhaft an. Henri Mancinis erhabenes „Days Of Wine And Roses“ führt in Zeiten zurück, wo Gefühlsaufwallungen nur mit Chor und Orchester bezwungen werden konnten. Wieder, Gansch & Paul verzichten selbstverständlich aufs große Besteck. „Es fehlt nichts zu dritt. Es geht sich alles aus“, sagt Thomas Gansch über das traumverlorene Zusammenspiel mit seinen Kollegen bei dieser herrlichen Ballade. Geschmackvolles Pathos waltet dann in der Interpretation von Udo Jürgens’ endzeitlichem „If I Never Sing Another Song“, das Sammy Davis Jr. und Shirley Bassey gesanglich formvollendet präsentiert haben. Auch die vorliegende Trioversion ist amtlich. Fatalismus und Agonie flirten hier aufs Innigste.
Wieder, Gansch & Paul heben mit Alexander Courages „Star Trek“-Thema gemessenen Tempos Richtung Weltraum ab, verstricken sich in „Kaiser Bluesette“ in nostalgische Monarchieträume und reiten zur herrlich kindlichen Melodie von „The Breeze And I“ über die kroatische Prärie, in der einst „Winnetou“ gedreht wurde. Tapfer loten sie die Innovations- und Devianzpotentiale dieser Stücke aus, ohne in die Falle der Gelacktheit zu gehen. Ja, man könnte sagen, sie sind prinzipiell sperrig gegenüber jeglichem Perfektionsansinnen. Hier geht es um Musik, nicht ums Jonglieren von Noten. Last but not least führt dieses gewandte Trio noch in Chuck Mangiones „Land Of Make Believe“, ein Zauberland und schrulligkeitstolerantes Gegenuniversum. Alles analog im Casino Baumgarten aufgenommen und auch analog geschnitten. Es bleibt alles besser.
Samir H. Köck
der folgende Wein wird mit dieser Musik beschallt...
Chardonnay 2019
Künstler: Wieder Gansch Paul
Winzer: Bernd Kornherr
Herkunft: Österreich, Niederösterreich, Weinviertel, Untermarkersdorf
Alkohol: 12,5 %